Der Flaneur liebt alles Schöne. Seine Leser wissen längst, dass er schöne Frauen liebt. Aber er liebt auch schöne Kunst.
Heute will er seine Leser zu dem seiner Meinung nach schönsten Kunstwerk in Hamburg führen.
Es ist reiner Zufall, dass es die Schöpfung eines englischen Künstlers ist. Und zwar des größten Bildhauers des 20. Jahrhunderts, Henry Moore. Erstaunlich ist, dass die Besichtigung überhaupt nichts kostet.
Wir fahren zunächst mit der S-Bahn nach Dammtor. Dann laufen wir nicht Richtung Hamburger Staatsoper sondern auf die andere Seite hin, wo die große Shell Tankstelle steht.
Wir gehen den Mittelweg entlang und halten uns links, als ob wir zum Rudolf Steiner Haus (Mittelweg 11-12) wollten.
(Übrigens gibt es auch im Rudolf Steiner Haus schöne Kunst zu sehen: die Bilder einer famosen Malerin namens Emanuela Assenza. Das nur nebenbei.)
Da, unter einer Eiche und zwei Kastanien, entdecken wir sie, Moores „Liegende weibliche Figur“, eine Anschaffung der Freien und Hansestadt Hamburg.
Wir denken an das Wort des Kubisten Georges Braque, es gäbe vor allem eines, was man zur Betrachtung eines Kunstwerkes braucht: einen Stuhl.
Und tatsächlich steht da, strategisch richtig positioniert, eine Parkbank.
Das Werk ist sehr, sehr große Kunst. Wir staunen darüber, dass Henry Moore es geschaffen hat, als er schon über 80 war.
Wir sitzen. Wir genießen den Anblick.
Aber nach und nach überkommt uns ein mulmiges Gefühl. Denn wir scheinen der Einzige zu sein, der es anschaut. Die Menschen laufen achtlos an Henry Moores Werk vorbei.
Auf einmal verstehen wir, warum. Wir leben im Kapitalismus. Was nichts kostet, ist nichts wert.
Das größte Kunstwerk Hamburgs, meint der Flaneur. Und er ist der Einzige, der hinschaut.
Er ist entsetzt. So weit hat der Kapitalismus die Menschen verdorben! Traurig tritt er den Heimweg Richtung Harburg an.
Kolumne: Regelmäßig schreibt der Harburger Flaneur im Elbe Wochenblatt am Wochenende. Unserem Spaziergänger fällt einiges auf:...
↧