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„So geht das nicht weiter“

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Im Haus des Landesvereins der Sinti in Hamburg: Inge Weiß, dahinter Moritz Terfloth, Emil Weiß, Robert Mechau und Cornelia Kerth. Foto: Ulrike Schmidt Von Roger.Repplinger. Es fängt damit an, dass das Haus des Landesvereins der Sinti in Hamburg mit seiner Beratungsstelle im Industriegebiet Rotenhäuser Straße in Wilhelmsburg steht. Robert Weiß, der Gründer, sagte nach einem halben Jahr vergeblicher Haussuche: „Moritz, ruf doch du mal an“, erinnert sich Inge Weiß, Roberts Witwe. Also rief Moritz Terfloth, ehrenamtlicher Mitarbeiter des Landesvereins und Historiker, bei Hauseigentümern an. „Wir haben das hier nur bekommen, weil es eine Erbengemeinschaft ist, und keine Nachbarn da sind, die sich beschweren könnten“, sagt Terfloth. Wir sitzen im ersten Stock, essen Kekse, trinken Wasser, die Klimaanlage läuft. Wir reden über ein Dokument aus dem 15. Jahrhundert, einen Schutzbrief aus Hildesheim, der Familie Weiß das Handel treiben erlaubt. Später zogen sie nach Harburg. Ums Jahr 1900 herum sind die Weiß' über die Süderelbe nach Wilhelmsburg gezogen. „Mein Urgroßvater und mein Großvater sind in Harburg geboren“, sagt der 85-jährige Emil Weiß, 64 Enkel, „und kein Ende abzusehen“, wie er sagt. Emil Weiß war Elf und sein Vater war Musiker, als 1939 in der Schule die Sintikinder von den anderen getrennt wurden. Eine „Zigeunerklasse“ entstand, in die alle Kinder von Sechs bis 14 Jahren gingen. „Die Lehrer waren ganz nett“, sagt Emil Weiß. „Bis zum 16. Mai 1940, da wurden 1000 Sinti und Roma aus ganz Norddeutschland, davon 550 aus Hamburg, in den Fruchtschuppen C im Freihafen gepfercht und von dort über den Hannoverschen Bahnhof deportiert“, sagt Inge Weiß. Viele ins Vernichtungslager Bełżec im von der Wehrmacht besetzten Teil Polens. „Von unserer Familie ist die Hälfte während des Nationalsozialismus ermordet worden“, sagt sie. Schätzungen aus dem Jahr 1950 zufolge haben mindestens 80 Prozent der im Mai 1940 deportieren Hamburger Sinti die Lager nicht überlebt. Emil Weiß überlebte, weil der Zwölfjährige bei der Harburger Gummiwarenfabrik Phoenix Waggons entlud. Zwölf Reichsmark pro Woche. „Haben wir Kohlen...

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