Hans Schulz will jetzt keine Jacke kaufen. Hält er nicht für nötig. „Jochen, was machen wir denn nun?“, fragt der 85-Jährige. „Jacke kaufen“, sagt Schwiegersohn Jochen Hanisch – zum dritten Mal, vierten Mal? Hans Schulz vergisst ganz schnell, was eben los war. Er ist dement, in seinem Kurzzeitgedächtnis bleiben keine Erinnerungen an die letzten Minuten, Stunden, Tage hängen. Aber er lebt in seiner vertrauten Umgebung am Rande der Osterstraße in Eimsbüttel. Hier kommt er zurecht, weil ein eigenwilliger Mensch wie er akzeptiert wird. Und hier kann er mit Menschen quatschen – eine seiner ganz großen Stärken.
Also auf zum Jacke kaufen: Kaum um die Ecke gebogen, macht Hans Schulz Halt vor dem Matratzenladen. Er winkt der Verkäuferin zu. Er lächelt so herzlich, als hätte er gerade seine Enkeltochter getroffen. Er kennt sie, sie kennt ihn. Ab und an lässt er hier immer wieder mal was mitgehen – versehentlich. Auch das kennt die Verkäuferin, ist kein Problem. Hanisch sammelt in der Wohnung immer wieder Sachen ein und bringt sie in die Geschäfte zurück. Geht in Ordnung.
Hanisch ist nicht nur Schwiegersohn, sondern auch Fachmann: Umweltplaner. Er hat einen besonderen Blick auf das Umfeld, in dem sein Schwiegervater so gut leben kann (siehe Interview). Auf seine Idee hin ist gemeinsam mit der Produktionsfirma K-Film der Dokumentarfilm „Papa Schulz in der Osterstraße“ entstanden. Es wird gezeigt, wie der allein lebende demente Mann unterstützt wird, wie er in diesem Umfeld gut leben kann. Hanisch will etwas in die Diskussion bringen: „Hier an der Osterstraße gibt es eine gewachsene kleinteilige Struktur – inhabergeführte Läden, wenige große Ketten, eine Menge hilfsbereite Menschen und eine hohe Toleranz. Das ist eher ein Zufallsprodukt, aber wir sollten daraus Lehren ziehen, wie Nachbarschaften gestaltet werden, um auch Alten und Kranken ein...
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